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"Unser Vater"

  

1. "Du"-Gebet in der Kammer
2. Nicht Problem-orientiert

3. Gott-orientiert
4. Gott-abhängig
5. Später eingefügter Schluss

 

 

 

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1. "Du"-Gebet in der Kammer

Mt 6,5-6

Und wenn du betest, sollst du nicht sein wie die Heuchler; denn sie lieben es, in den Synagogen und an den Ecken der Strassen stehend zu beten, damit sie von den Menschen gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn dahin.
Wenn du aber betest, so geh in deine Kammer, und nachdem du deine Tür geschlossen hast, bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist, und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird dir vergelten.


Du-Gebet

Jesus Christus spricht hier vom privaten Gebet - vom "Du-zu-Gott"-Gebet. Dieses gehört in die Verborgenheit und nur in der Verborgenheit erwächst ihm einen Lohn vom Vater.

Wir-Gebet

Diesem privaten Gebet steht das öffentliche Gebet - das Gebet der Gemeinde gegenüber (Mt 18,19-20). Auf diesem gemeinsamen Gebet liegt eine besondere Verheissung.

Mt 18,19-20 Wiederum sage ich euch: Wenn zwei von euch auf der Erde übereinkommen werden, irgendeine Sache zu erbitten, so wird sie ihnen werden von meinem Vater, der in den Himmeln ist. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.

  

 

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2. Nicht Problem-orientiert

Mt 6,7-8

Wenn ihr aber betet, sollt ihr nicht plappern wie die von den Nationen; denn sie meinen, dass sie um ihres vielen Redens willen erhört werden.
Seid ihnen nun nicht gleich; denn euer Vater weiss, was ihr benötigt, ehe ihr ihn bittet.


befreiend

Unser Gebet soll dem verzweifelten Gebet von Götzendienern nicht ähneln (vgl. 1 Kön 18,25-29). Wir dürfen uns bewusst sein, dass unser Vater alle unsere Bedürfnisse kennt. Das ist befreiend. Deshalb müssen wir uns nicht auf unsere Probleme fixieren, sondern dürfen uns von ihnen lösen und aufschauen zu unserem Vater im Himmel. In dieser Haltung beginnt dann auch das "Unser Vater".

1 Kön 18,25-29 Und Elia sagte zu den Propheten des Baal: Wählt euch den einen Jungstier und richtet ihn zuerst zu! Denn ihr seid viele. Dann ruft den Namen eures Gottes an! Aber Feuer legt nicht daran!
So nahmen sie den Jungstier, den man ihnen überlassen hatte, und richteten ihn zu. Darauf riefen sie vom Morgen bis zum Mittag den Namen des Baal an: Baal, antworte uns! Aber da war kein Laut, keine Antwort.
Und sie hüpften um den Altar, den man gemacht hatte. Und es geschah am Mittag, da verspottete Elia sie und sagte: Ruft mit lauter Stimme, denn er ist ja ein Gott! Er ist sicher in Gedanken, oder er ist austreten gegangen, oder er ist auf der Reise; vielleicht schläft er, dann wird er aufwachen.
Da riefen sie mit lauter Stimme und ritzten sich, wie es bei ihnen Brauch war, mit Messern und mit Spiessen, bis das Blut an ihnen herabfloss. Und es geschah, als der Mittag vorüber war, da gerieten sie in Raserei bis zur Zeit, da man das Speisopfer opfer; aber da war kein Laut, keine Antwort, kein Aufhorchen.

  

 

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3. Gott-orientiert

Mt 6,9-10

Betet ihr nun so:
Unser Vater, der du bist in den Himmeln,
(1.) geheiligt werde dein Name;
(2.) dein Reich komme;
(3.) dein Wille geschehe, wie im Himmel so auch auf
Erden.


Modell

 

100 n.Chr.

Die Christen um 100 n.Chr. beteten das "Unser Vater" dreimal täglich: »Dreimal am Tag sollt ihr so beten.« (Didache 8,3)

Waldenser

Die Waldenser beteten das "Unser Vater" zum Abschluss des Gottesdienstes kniend. Sie beteten es als »Litanei« bis zu zwanzigmal »in deutlicher Polemik gegen das Avemaria«, das damals gerade aufkam.

(Giorgio Tourn, Geschichte der Waldenser-Kirche, 1977, 1983, Claudiana Torino, 3. Im Italien der Stadtrepubliken, S. 50)

Modell

Ich sehe im "Unser Vater" ein Modellgebet für alle Christen. Calvin nennt dieses Gebet eine »Zusammenfassung«.

(Johannes Calvin, Institutio Christianae Religionis, 1997, Neukirchener, Buch 3, 20,48-49, S. 611-612)

passiv

Das "Unser Vater" ist ein "passives" Gebet. In diesem Gebet stellt Gott sozusagen die Frage: »Wen soll ich senden, und wer wird für uns gehen?« (Jes 6,8) "Aktiv" ist eigentlich nur die Vergebung unseren Schuldnern (Mt 6,12). Diese Vergebung ist ein eigentlicher Schwerpunkt dieses Gebets (siehe auch unten).

Schwerpunkt

Es gibt in den Evangelien zwei "Unser Vater". Eines nach Matthäus, das andere nach Lukas (Lk 11,2-4). Sie sind sich sehr ähnlich. Ihr grösster Unterschied liegt in der Betonung, die Jesus nach dem Gebet legt.

Lk 11,1-4 Und es geschah, als er an einem Ort war und betete, da sprach, als er aufhörte, einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte!
Er sprach aber zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, geheiligt werde dein Name; dein Reich komme; unser nötiges Brot gib uns täglich; und vergib uns unsere Sünden, denn auch wir selbst vergeben jedem, der uns schuldig ist; und führe uns nicht in Versuchung.

Matthäus:
Vergeben

Im Matthäus-Evangelium legt Jesus die Betonung auf die Vergebung, weil unmittelbar nach dem "Unser Vater" eine eindringliche Lehre über die Vergebung folgt (Mt 6,14-15).

Lukas:
Zuversicht

Im Lukas-Evangelium liegt die Betonung auf das zuversichtliche Beten. Jesus gibt hierfür unmittelbar nach dem "Unser Vater" zwei Gleichnisse, die durch einen dringlichen Appell voneinander getrennt sind (Lk 11,5-13).

 

 

Himmel/Erde

 

Himmel

Das "Unser Vater" hat eine "Himmel-Erde"-Struktur. Zuerst wird unser Blick auf den Himmel gerichtet, wo unser Vater wohnt. In drei Bitten (nach der Anrede) segnen wir zuerst Gott (vgl. Jak 3,9) und erst dann beten wir in weiteren drei Bitten für uns selber. Es geht in erster Linie also einmal darum, den Blick von uns (mit unseren Bedürfnissen, Ängsten, Wünsche, Egoismus) weg auf Gott zu wenden. Das ist eine Befreiung, das ist echte Anbetung.

Jak 3,9 Mit ihr (gemeint ist die Zunge) preisen (o. segnen) wir den Herrn und Vater, und mit ihr fluchen wir den Menschen, die nach dem Bild Gottes geschaffen worden sind.

Erde

"Himmel-Erde" gibt dem "Unser Vater" auch die typische Unterteilung (und zwar auch im griechischen Urtext). Das Wort "Erde" trennt dieses Gebet in zwei Teile. Mit diesem Wort beginnt der zweite Teil. Unser Blick wird jetzt auf die Erde - auf uns (und unsere wirklichen Bedürfnisse) - gerichtet.

Vater

 

Bedingung

Um Gott unseren Vater nennen zu dürfen, bedarf es einer Bedingung: Wir müssen Jesus Christus in unser Leben aufnehmen, an Ihn glauben und durch diesen Glauben von neuem geboren sein (Joh 1,11-13)!

Joh 1,11-13 Er (Jesus Christus) kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an;
so viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden,
denen, die an seinen Namen glauben;
die nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.

Verheissung

"Vater" ist nicht nur eine Anrede, sondern bereits eine Verheissung. Denn Gott ist ein guter Vater, der uns gute Gaben gibt (Mt 7,9-11; Lk 11,11-13) und über der "kleinen Herde" wacht (Lk 12,32). Wir dürfen den Vater sogar "unverschämt" bitten. Das lehrt uns Jesus unmittelbar nach dem "Unser Vater" nach dem Lukas-Evangelium (Lk 11,5-10).

Mt 7,9-11 Oder welcher Mensch ist unter euch, der, wenn sein Sohn ihn um ein Brot bittet, ihm einen Stein geben wird? Und wenn er um einen Fisch bittet, wird er ihm eine Schlange geben?
Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wieviel mehr wird euer Vater, der in den Himmeln ist, Gutes geben denen, die ihn bitten!
Lk 11,5-10 Und er sprach zu ihnen: Wer von euch wird einen Freund haben und wird um Mitternacht zu ihm gehen und zu ihm sagen: Freund, leihe mir drei Brote, da mein Freund von der Reise bei mir angelangt ist und ich nichts habe, was ich ihm vorsetzen soll; und jener würde von innen antworten und sagen: Mach mir keine Mühe, die Tür ist schon geschlossen, und meine Kinder sind bei mir im Bett; ich kann nicht aufstehen und dir geben? Ich sage euch, wenn er auch nicht aufstehen und ihm geben wird, weil er sein Freund ist, so wird er wenigstens um seiner Unverschämtheit willen aufstehen und ihm geben, so viel er braucht. Und ich sage euch: Bittet, und es wird euch gegeben werden; sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch aufgetan werden. Denn jeder Bittende empfängt, und der Suchende findet, und dem Anklopfenden wird aufgetan werden.
Lk 11,11-13 Wo ist unter euch ein Vater, den der Sohn um einen Fisch bitten wird - er wird ihm statt des Fisches doch nicht eine Schlange geben? Oder auch, wenn er um ein Ei bäte - er wird ihm doch nicht einen Skorpion geben? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wieviel mehr wird der Vater, der vom Himmel gibt, den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!
Lk 12,32 Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es hat eurem Vater wohlgefallen, euch das Reich zu geben.

Güte Gottes

Calvin bringt diese Güte Gottes, die uns in der Anrede "Vater" entgegenkommt (vgl. 1 Joh 3,1), ganz besonders schön zum Ausdruck:
»"Unser Vater." Wir sollen also etwa in der Weise mit ihm reden: Vater, der du so voll Liebe gegen deine Kinder bist, der du so gern bereit bist, ihnen zu verzeihen, - wir, deine Kinder, rufen zu dir und fragen nach dir und sind dabei der gewissen Zuversicht, dass du gegen uns keine andere als väterliche Gesinnung trägst, wie unwürdig wir auch solch eines Vaters sind!«
(Johannes Calvin, Institutio Christianae Religionis, 1997, Neukirchener, Buch 3, 20,37, S. 599)

1 Joh 3,1a Seht, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, dass wir Kinder Gottes heissen sollen! Und wir sind es.

Unser

Das "unser" entspricht nicht unserem individuellem, westlichen Verständnis von Glauben. Doch wir müssen zur Kenntnis nehmen: Der christliche Glaube ist keine Privatsache. Gott ist nicht nur mein Vater, Er ist vielmehr unser Vater.

Himmeln

Gott ist im Himmel. Er hat die Übersicht. Er steht über allen unseren Fragen und Zweifeln. Wie ein Teppich nur von oben ein schönes Muster abgibt, so sieht nur Gott den wirklichen Sinn der Geschichte - auch unserer Geschichte. Uns, die wir den "Lebensteppich" nur von unten sehen, gibt sich ein Bild des Wirrwarrs und des Chaoses. Doch wir glauben und vertrauen einem Gott, der das Muster sieht!

geheiligt

 

nicht fluchen

Den Namen Gottes heiligen bedeutet sicher einmal, ihn nicht als Redefloskel oder gar als Fluchwort zu missbrauchen (vgl. 2 Mose 20,7). Auch Menschen würden es wohl kaum schätzen, wenn ihr Name als Fluchwort gebraucht werden würde (z.B. "Fritz-Müller-noch-einmal")!

2 Mose 20,7 Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht zu Nichtigem (o. zu Falschem; o. zu Lügenhaftem) aussprechen, denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen zu Nichtigem ausspricht.

keine Götzen

2 Mose 20,7 (2. Gebot) bedeutet aber in seinem Zusammenhang noch mehr. Während sich das erste Gebot gegen das Beilegen von anderen Götzen neben Gott richtet (was in der Geschichte Israels die grösste Gefahr darstellte), richtet sich das zweite Gebot gegen die Übertragung des Gottesnamens und/oder der Gotteseigenschaften (2 Mose 20,2) auf Götzen (2 Mose 32,4.8; 1 Kön 12,28; Die Ausdrücke "Götter" kann man in diesem Zusammenhang ebensogut mit "Gott" wiedergeben, vgl. Neh 9,18.).

2 Mose 20,1-2 Und Gott redete alle diese Worte und sprach: Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhaus herausgeführt habe.
2 Mose 32,4 Der nahm alles aus ihrer Hand, formte es mit einem Meissel und machte ein gegossenes Kalb daraus. Und sie sagten: Das sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land Ägypten herausgeführt haben.
2 Mose 32,8 Sie sind schnell von dem Weg abgewichen, den ich ihnen geboten habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht, sind vor ihm niedergefallen, haben ihm geopfert und gesagt: Das sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land Ägypten herausgeführt haben!
1 Kön 12,28 So beschloss denn der König, zwei goldene Kälber anzufertigen. Zum Volk aber sagte er: Es ist zu viel für euch, nach Jerusalem hinaufzugehen. Siehe da, Israel, deine Götter, die dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt haben!
Neh 9,18 Sogar als sie sich ein gegossenes Kalb machten und sagten: Das ist dein Gott, der dich aus Ägypten heraufgeführt hat - und grosse Lästerungen verübten,

christlicher
Wandel

Gott will nicht gleichgestellt werden mit den Götzen dieser Welt. Er ist der einzig-wahre Gott. Er ist einzigartig, lebendig, gerecht und liebevoll. Er ist der einzige Erlöser (Ps 111,9; Lk 1,49). Wenn dieser Unterschied zwischen Gott und den Götzen auf der Erde sichtbar wird, dann wird Sein Name geheiligt (vgl. 1 Petr 2,9). Wenn dieser Unterschied nicht sichtbar wird, dann wird er verlästert (Röm 2,23-24).

Ps 111,9 Er hat Erlösung gesandt zu seinem Volk, seinen Bund verordnet auf ewig. Heilig und furchtbar ist sein Name.
Lk 1,49 Denn Grosses hat der Mächtige an mir getan, und heilig ist sein Name.
Röm 2,23-24 Der du dich des Gesetzes rühmst, du verunehrst Gott durch die Übertretung des Gesetzes? Denn »der Name Gottes wird euretwegen unter den Nationen gelästert«, wie geschrieben steht.
1 Petr 2,9 Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum, damit ihr die Tugenden (o. Tüchtigkeiten, Fähigkeiten, Vollkommenheiten) dessen verkündigt, der euch aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat;

Auftrag

Die Heiligung des Gottesnamens ist ein Auftrag an uns Christen. An uns der der Unterschied von Gott zu nichtigen Götzen sichtbar werden (Mt 5,16)! Dieser Unterschied wird in Werken, d.h. in Taten sichtbar (vgl. Mt 5,43-45.48)!

Mt 5,16 So soll euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen.
Mt 5,43-45.48 Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.
Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde, und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters seid, der in den Himmeln ist; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. ...
Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.

Reich

 

kommendes

Das Reich Gottes ist mit Jesus Christus in diese Welt gekommen (Mt 4,17). Doch vollendet wird dieses Reich erst, wenn Jesus Christus auf diese Erde zurückkehrt (Mt 24,29-31). Es ist für uns Christen von entscheidender Bedeutung, auf dieses kommende Reich Gottes hin zu leben (Tit 2,11-13; 2 Petr 3,11-14)! Die Nicht-Erwartung dieses Reiches ist das Kennzeichen von falschen Christen, von Spöttern (2 Petr 3,3-4).

Mt 4,17 Von da an begann Jesus zu predigen und zu sagen: Tut Busse, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen!
Mt 24,29-31 Aber gleich nach der Drangsal jener Tage wird die Sonne verfinstert werden und der Mond seinen Schein nicht geben, und die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte der Himmel werden erschüttert werden. Und dann wird das Zeichen des Sohnes des Menschen am Himmel erscheinen; und dann werden wehklagen alle Stämme des Landes, und sie werden den Sohn des Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit grosser Macht und Herrlichkeit. Und er wird seine Engel aussenden mit starkem Posaunenschall, und sie werden seine Auserwählten versammeln von den vier Winden her, von dem einen Ende der Himmel bis zu ihrem anderen Ende.
Tit 2,11-13 Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend allen Menschen, und unterweist uns, damit wir die Gottlosigkeit und die weltlichen Lüste verleugnen und besonnen und gerecht und gottesfürchtig leben in dem jetzigen Zeitlauf,
indem wir die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres grossen Gottes und Heilandes Jesus Christus erwarten.
2 Petr 3,3-4 und zuerst dies wisst, dass in den letzten Tagen Spötter mit Spötterei kommen werden, die nach ihren eigenen Begierden wandeln und sagen: Wo ist die Verheissung seiner Ankunft? Denn seitdem die Väter entschlafen sind, bleibt alles so von Anfang der Schöpfung an.
2 Petr 3,10-14 Es wird aber der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb; an ihm werden die Himmel mit gewaltigem Geräusch vergehen, die Elemente aber werden im Brand aufgelöst und die Erde und die Werke auf ihr im Gericht erfunden werden.
Da dies alles so aufgelöst wird, was für Leute müsst ihr dann sein in heiligem Wandel und Gottseligkeit, indem ihr die Ankunft des Tages Gottes erwartet und beschleunigt, um dessentwillen die Himmel in Feuer geraten und aufgelöst und die Elemente im Brand zerschmelzen werden. Wir erwarten aber nach seiner Verheissung neue Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt. Deshalb, Geliebte, da ihr dies erwartet, befleissigt euch, unbefleckt und tadellos von ihm im Frieden erfunden zu werden.

innerliches

Das Reich Gottes soll aber nicht nur in der Zukunft kommen, sondern es ist bereits in uns durch den Heiligen Geist. Auch dieses "innerliche" Reich Gottes - das Reich Gottes in uns - soll kommen, d.h. soll zunehmen. Das nennt die Bibel "Heiligung" (1 Thess 4,1-8).

1 Thess 4,1-8 Übrigens nun, Brüder, bitten und ermahnen wir euch in dem Herrn Jesus, da ihr ja von uns Weisung empfangen habt, wie ihr wandeln und Gott gefallen sollt - wie ihr auch wandelt -, dass ihr darin noch reichlicher zunehmt. Denn ihr wisst, welche Weisungen wir euch gegeben haben durch den Herrn Jesus.
Denn dies ist Gottes Wille: eure Heiligung, dass ihr euch von der Unzucht fernhaltet, dass jeder von euch sich sein eigenes Gefäss in Heiligkeit und Ehrbarkeit zu gewinnen wisse, nicht in Leidenschaft der Lust wie die Nationen, die Gott nicht kennen; dass er sich keine Übergriffe erlaube noch seinen Bruder in der Sache übervorteile, weil der Herr Rächer ist über dies alles, wie wir euch auch zuvor gesagt und ernstlich bezeugt haben.
Denn Gott hat uns nicht zur Unreinheit berufen, sondern in Heiligung. Deshalb nun, wer dies verwirft, verwirft nicht einen Menschen, sondern Gott, der auch seinen Heiligen Geist in euch gibt.

Mission

Das Reich Gottes soll nicht nur in der Zukunft, nicht nur in mir, sondern auch in unseren Mitmenschen kommen (Mt 28,18-20). Jesus Christus wird erst kommen, nachdem alle Nationen das Evangelium gehört haben (Mt 24,14).

Mt 24,14 Und dieses Evangelium des Reiches wird gepredigt werden auf dem ganzen Erdkreis, allen Nationen zu einem Zeugnis, und dann wird das Ende kommen.
Mt 28,18-20 Und Jesus trat herzu und redete mit ihnen und sprach: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden. Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern, indem ihr diese tauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und sie lehrt alles zu bewahren, was ich euch geboten habe! Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.

Wille

Das Reich Gottes kommt nur dort, wo der Wille Gottes geschieht. Deshalb gehören die Bitten 2+3 eigentlich zusammen. Das wird durch das "Unser Vater" im Lukas-Evangelium bestätigt. Dort wird das Gebet um Gottes Willen nicht erwähnt. Es ist offensichtlich im Gebet um Gottes Reich enthalten (Lk 11,2-4). So ist die 3. Bitte (Wille Gottes) also eine nähere Auslegung der 2. Bitte (Reich Gottes). Sie erklärt, wie das Reich Gottes kommt; nämlich indem wir (auf Erden) den Willen Gottes tun.

Gethsemane

Der tiefe Ernst der Worte "dein Wille geschehe" wird sichtbar, wenn man in der Computer-Konkordanz "dein Wille" eingibt. Es gibt nur eine Parallelstelle: Mt 26,42 (Gethsemane)! Mit diesem Gebet stellen wir Gottes Willen klar über den unsrigen! Das stellt uns vor die Frage, ob wir bereit sind, die Kosten zu tragen (Lk 14,25-35)!

Mt 26,42 Wiederum, zum zweiten Mal, ging er hin und betete und sprach: Mein Vater, wenn dieser Kelch nicht vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille.
Lk 14,25-35 Es ging aber eine grosse Volksmenge mit ihm; und er wandte sich um und sprach zu ihnen:
Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und seine Mutter und seine Frau und seine Kinder und seine Brüder und Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein; und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachkommt, kann nicht mein Jünger sein.
Denn wer unter euch, der einen Turm bauen will, setzt sich nicht zuvor hin und berechnet die Kosten, ob er das Nötige zur Ausführung habe? Damit nicht etwa, wenn er den Grund gelegt hat und nicht vollenden kann, alle, die es sehen, anfangen, ihn zu verspotten, und sagen: Dieser Mensch hat angefangen zu bauen und konnte nicht vollenden. Oder welcher König, der auszieht, um sich mit einem anderen König in Krieg einzulassen, setzt sich nicht zuvor hin und ratschlagt, ob er imstande sei, dem mit zehntausend entegegenzutreten, der gegen ihn mit zwanzigtausend anrückt? Wenn aber nicht, so sendet er, während er noch fern ist, eine Gesandtschaft und bittet um die Friedensbedingungen.
So kann nun keiner von euch, der nicht allem entsagt, was er hat, mein Jünger sein.
Das Salz ist gut; wenn aber auch das Salz kraftlos geworden ist, womit soll es gewürzt werden? Es ist weder für das Land noch für den Dünger tauglich; man wirft es hinaus. Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Himmel/Erde

Die Gebetsrichtung im "Unser Vater" geht vom Himmel zur Erde. Dieses Gebet ist nicht nur strukturell so aufgebaut, sondern das ist auch die "Willensrichtung" dieses Gebets. Was der Vater im Himmel beschlossen hat, das soll auf Erden in unserem Leben Wirklichkeit werden. Diese Willensrichtung schliesst den Missbrauch des Gebets aus (Jak 4,3).

Jak 4,3 ihr bittet und empfangt nichts, weil ihr übel bittet, um es in euren Lüsten zu vergeuden.

Übergang

Mit "Erden" wechselt das Gebet dann auch die Blickrichtung. Nachdem wir zuerst nach dem Reich Gottes getrachtet haben, können wir jetzt damit rechnen, dass Gott für unsere Bedürfnisse sorgt (Mt 6,33). Mt 6,10-13 zeigt uns auf, was unsere wirklichen Bedürfnisse - aus Gottes Sicht - sind.

Mt 6,33 Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugefügt werden.

  

 

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4. Gott-abhängig

Mt 6,10-13

(4.) Unser tägliches Brot gib uns heute;
(5.) und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir
unseren Schuldnern vergeben;
(6.) und führe uns nicht in Versuchung, sondern errette
uns von dem Bösen.


tägliches Brot

»Die älteren Kommentatoren brachten viel Zeit mit dem Versuch zu, die Bedeutung des Ausdrucks "tägliches Brot" im Vaterunser zu klären. Deissmann hat den Ausdruck in den Papyri entdeckt, und dort bezieht er sich auf die Nahrungszuteilung, die Arbeitern und Soldaten für die Arbeit des folgenden Tages gegeben wurde. Deissmann übersetzt den Satz: "Gib uns heute unseren Anteil an täglicher Nahrung für morgen."«
Aus diesem Grunde beten die koptisch-orthodoxen Christen heute: »Gib uns heute das Brot von Morgen,« (ICI-Ordner: Hermeneutik, S. 163-163b)
Die Elberfelder schreibt in der dazugehörigen Fussnote: »d.h. das für den heutigen oder folgenden Tag nötige Brot«.

Planung

Wenn wir den obigen archäologischen Fund in Betracht ziehen, wird deutlich, dass dieses Wort von Jesus die Planung für die Zukunft nicht ausschliesst. Es meint also nicht, dass wir in den Tag hineinleben sollen. Es meint aber sicher, dass wir uns in Sachen Finanzen um den morgigen Tag, d.h. um die Zukunft, nicht sorgen sollen (Mt 6,34).

Mt 6,34 So seid nun nicht besorgt um den morgigen Tag, denn der morgige Tag wird für sich selber sorgen. Jeder Tag hat an seinem Übel genug.

Abhängigkeit

Dieses Wort schliesst die finanzielle Abhängigkeit von Gott und das Vertrauen in Seine Versorgung mit ein. Es schliesst somit nicht nur das Vertrauen auf eigenen Reichtum aus, sondern auch die Abhängigkeit von Menschen (Hebr 13,5-6). Das macht uns frei, uns um das Reich Gottes zu kümmern (Mt 6,33). Das gilt auch für "Reiche" (1 Tim 6,17-19)!

Mt 6,33 Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugefügt werden.
Hebr 13,5-6 Der Wandel sei ohne Geldliebe; begnügt euch mit dem, was vorhanden ist, denn er hat gesagt: »Ich will dich nicht versäumen noch verlassen«, so dass wir zuversichtlich sagen können: »Der Herr ist mein Helfer, ich will mich nicht fürchten. Was soll mir ein Mensch tun?«
1 Tim 6,17-19 Den Reichen in dem gegenwärtigen Zeitlauf gebiete, nicht hochmütig zu sein, noch auf die Ungewissheit des Reichtums Hoffnung zu setzen - sondern auf Gott, der uns alles reichlich darreicht zum Genuss -, Gutes zu tun, reich zu sein in guten Werken, freigebig zu sein, mitteilsam, indem sie sich selbst eine gute Grundlage auf die Zukunft sammeln, um das wirkliche Leben zu ergreifen.

Lebens-
notwendige

Ich sehe mit Calvin in der Brot-Bitte nicht nur das Essen, sondern alles Lebensnotwendige »dessen unseres Leibes Notdurft unter den Elementen dieser Welt bedarf; wir bitten also nicht nur, dass wir Nahrung und Kleidung bekommen, sondern auch sonst alles, was uns nach seinem Ermessen dazu hilft, unser Brot mit Frieden zu essen. ...«
(Johannes Calvin, Institutio Christianae Religionis, 1997, Neukirchener, Buch 3, 20,44, S. 605-606)

Genüg-
samkeit

In dieser Bitte um Brot kommt uns aber auch eine christliche Genügsamkeit entgegen (1 Tim 6,8-9). Diese wird im "Unser Vater" nach dem Lukas-Evangelium betont (Lk 11,3).

Lk 11,3 unser nötiges Brot gib uns täglich;
1 Tim 6,6-9 Die Gottseligkeit mit Genügsamkeit aber ist ein grosser Gewinn; denn wir haben nichts in die Welt hereingebracht, so dass wir auch nichts hinausbringen können.
Wenn wir aber Nahrung und Kleidung haben, so wollen wir uns daran genügen lassen. Die aber reich werden wollen, fallen in Versuchung und Fallstrick und in viele unvernünftige und schädliche Begierden, welche die Menschen in Verderben und Untergang versenken.

Vergebung

Zu den lebensnotwendigen Dingen gehört nicht nur das Brot, sondern auch die Vergebung. Die Vergebung lässt unsere Seele aufatmen. Die Vergebung von Gott ist allerdings nur wirksam, wenn sie durch uns zu unseren "Schuldnern" hindurchfliesst und wir ihnen ebenfalls vergeben. Deshalb fügt sich an das "Unser Vater" nach den früheren Handschriften nahtlos ein Appell zur Vergebung an (Mt 6,14-15). Dieser Appell beweist, dass die Vergebung eine sehr wichtige Rolle im Gebet einnimmt.

Mt 6,14-15 Denn wenn ihr den Menschen ihre Vergehungen vergebt, so wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben; wenn ihr aber den Menschen ihre Vergehungen nicht vergebt, so wird euer Vater auch eure Vergehungen nicht vergeben.

Führung

Wohin wollen wir uns von unserem Vater führen lassen? Zur Unabhängigkeit von Gott (Mt 4,3)? Zur Herausforderung von Gottes Macht (Mt 4,5-6)? Zu Reichtum, Macht und Sex (Mt 4,8-9)? All das wäre eine Führung in die Versuchung. Oder wollen wir uns weg von der "Welt" (Jak 4,4; 1 Joh 2,15-17), hin zu Gott führen lassen?

Mt 4,3 Und der Versucher trat zu ihm hin und sprach: Wenn du Gottes Sohn bist, so sprich, dass diese Steine Brote werden.
Mt 4,5-6 Darauf nimmt der Teufel ihn mit in die heilige Stadt und stellt ihn auf die Zinne des Tempels und spricht zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: »Er wird seinen Engeln über dir befehlen, und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du nicht etwa deinen Fuss an einen Stein stösst.«
Mt 4,8-9 Wiederum nimmt der Teufel ihn mit auf einen sehr hohen Berg und zeigt ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und spricht zu ihm: Dies alles will ich dir geben, wenn du niederfallen und mich anbeten willst.
Jak 4,4 Ihr Ehebrecherinnen, wisst ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Gott ist? Wer nun ein Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes.
1 Joh 2,15-17 Liebt nicht die Welt noch was in der Welt ist! Wenn jemand die Welt liebt, ist die Liebe des Vaters nicht in ihm; denn alles, was in der Welt ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens, ist nicht vom Vater, sondern ist von der Welt. Und die Welt vergeht und ihre Lust; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.

Agurs Bitte

Die Bitte, nicht in Versuchung geführt zu werden, kommt uns schon in der Bitte Agurs entgegen (Spr 30,8b-9).

Spr 30,8b-9 Armut und Reichtum gib mir nicht, lass mich das Brot, das ich brauche, geniessen, damit ich nicht, satt geworden, leugne und sage: Wer ist denn der HERR? - und damit ich nicht, arm geworden, stehle und mich vergreife an dem Namen meines Gottes!

nicht selber versuchen

Diese Bitte schliesst auch unseren Willen mit ein, dass wir uns nicht aus eigenem Antrieb Versuchungen aussetzen und Situationen meiden, von denen wir wissen, dass sie unserer Seele nur schaden können.

Bösen

Mit dem "Bösen" kann "das Böse" oder "der Böse", also Satan, gemeint sein. Doch das tut eigentlich »wenig zur Sache«.
(Johannes Calvin, Institutio Christianae Religionis, 1997, Neukirchener, Buch 3, 20,46, S. 609)

  

 

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5. Später eingefügter Schluss

Mt 6,13

Denn dein ist das Reich
und die Kraft
und die Herrlichkeit
in Ewigkeit.
Amen.


göttliche Gaben

Reich, Kraft, Herrlichkeit, Ewigkeit - das sind alles Gaben, die nur Gott uns geben kann. Deshalb ist dieser Schluss, der nur in späteren Handschriften eingefügt ist, eine schöne und sicher auch richtige Überlieferung von Christen um das Jahr 100 n.Chr. "Kraft", "Herrlichkeit" und "Ewigkeit" wird auch in der Didache bezeugt (Didache 8,2).

Didache 8,2b denn dein ist die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Zusammen-
hang wahren

Dem Schluss steht entgegen, dass er der unmittelbare Zusammenhang von Jesu Lehre der Vergebung (Mt 6,14-15) mit dem "Unser Vater" (Mt 6,9-13) unterbricht. Dieser Zusammenhang sollte gewahrt bleiben.

 

 

 

Schluss

/\
Thema

Das Gebet des Herrn Jesus.

Zielaussage

Die markantesten Lehren des "Unser Vater" ist die Gott-Orientierung (Gott zuerst) und die Wichtigkeit der Vergebung.