Andacht

Liebe Leserinnen, liebe Leser
In den Sommerferien hatte ich einmal so richtig Zeit, in einer kleinen Brockenstube der Heilsarmee zu stöbern. Da ich eine Vorliebe für alte Bücher habe, kam mein Blick relativ schnell auf ein altes Büchlein "Elternworte an theure Kinder". Als Vater von vier Kindern hat es mich natürlich schon interessiert, was wohl vor über 100 Jahren den Kindern an christlicher Wegweisung mitgegeben wurde. Aus diesem Buch will ich nun den Anfang zitieren, wobei ich die Grammatik zwecks besserer Lesbarkeit der unseren anpasse:

Dem menschlichen Herzen ist es ein absolutes Bedürfnis, dass es sich bisweilen aus dem Geräusche der Welt und dem Gedränge des alltäglichen Lebens zurückziehe, sich sammle und über den Tand der Erde erhebe zu Dem, der unsichtbar, aber mächtig über Alles waltet und in dessen Hände unser Schicksal liegt. Eine solche stille und fromme Erhebung des Herzens zu Gott nennen wir Andacht.

Wer die Andacht zu den überflüssigen Beschäftigungen des Geistes und Herzens zählt und sich derselben entzieht, der beraubt sich des trefflichsten Mittels der Selbstveredlung und einer der reichsten Quellen des Trostes, der Beruhigung und Stärkung, der Aufheiterung und wahrer hoher Freude.

Es haben die Besseren und Edleren unserer Zeitgenossen diese Verirrung mit Kummer und Schmerzen wahrgenommen, und diesem üblen Geiste der Zeit, der auch in dieser Hinsicht um sich zu greifen anfing, nicht gehuldigt. Sie fuhren fort, sich von Zeit zu Zeit in frommen Gebete dem Throne Gottes zu nahen, ihr Herz vor dem Allliebenden auszuschütten und dadurch ihr Vertrauen zu ihm zu beleben und zu befestigen. Hierdurch gelang es ihnen, sich aufrecht zu erhalten unter den Stürmen, die unser Land und unsern Weltteil zu erschüttern drohten, sich zu trösten bei den Drangsalen verhängnisvoller Tage und ihr Herz zur Hoffnung einer bessern Zukunft zu erheben. Möge ihre Zahl immer grösser und der hohe Wert wahrer, vernünftiger und dem hohen Geiste des Christentums angemessener Andacht immer mehr anerkannt und beherzigt werden!

Ich denke, dass dieser alte Text seine Gültigkeit bis heute nicht verloren hat.

Basel, Sept. 2001, Markus Brunner
© www.markus.li