"Festgebäte"
Der andächtige Christ betrachtet zur heiligen Adventszeit die Ankunft Christi ins Fleisch

"Ist eine Zeit, welche Gottergebene Seelen gern mit Andacht hinbringen, so sind es die heilige Festtage, an welchen die Christenheit die Wohltaten Gottes erwäget. Ob nun gleich die meisten sogenannten Christen die heil. Festzeiten theils mit Üppigkeit und Wollust, theils mit Stolz und Kleiderpracht, theils mit Müssiggang und unartigem Geschwätz lassen vorbeigehen, und dahero die Liebe und Gnade des Allerhöchsten wenig zu Herzen nehmen, sich auch in ihrem Christenthum wenig erbauen: so ist hingegen ein gläubiges Kind Gottes viel anders gesinnet, denn dasselbe

1) freuet sich auf die bevorstehende Festzeiten, um alles seiner Andacht vorzustellen, was Gottes Güte ihm geschenket.

2) In der heiligen Adventszeit betrachtet es die Liebe des himmlischen Vaters, der seines eigenen Sohnes nicht geschonet hat, sondern ihn in die Welt gesandt zum Leiden, zum Sterben, aber auch den Menschen die Seligkeit zu erwerben.

3) Es siehet an die brünstige Liebe Jesu, welcher sich in unserm armen Fleisch und Blut verkleidet, damit er uns möge zum Himmel und Seligkeit wieder bringen.

4) Es preiset die Gnade des heil. Geistes, welcher die geschenkten Wohltaten denen gläubigen Seelen so lebendig und kräftig vorstellet, zueignet u. empfinden lässet, als ob sie heut erst wären geschehen.

Dahero lässet es
5) die heilige Zeit sich auch eine Zeit der Andacht und des Gebäts sein, welche es mit Anhörung Betrachtung des Wortes Gottes, mit Anstimmung der Festlieder, und mit einem stillen und gottseligen Wandel anfanget und vollendet."

(Gebät-Buch bei Johann Rudolph Imhof und Sohn, 1797, S. 374)

Münsingen, Dezember 1996, Markus Brunner
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