Verloren in der Höhle
Kurzgeschichte für Kinder

Martin und Ruedi sind zwei Spitzbuben. Sie sind beide 12 Jahre alt und gehen in die gleiche Klasse. Was die beiden gerne machen? Sie gehen am liebsten auf Abenteuersuche. Dass das nicht immer ganz ungefährlich ist, zeigt die folgende Geschichte.

Martin und Ruedi haben heute schulfrei. Das brauchen sie auch, denn sie haben etwas ganz spezielles vor. "Was packst Du denn da ein?" fragt Martin's Mutter, als sie ihn ein Jagdmesser an seinen Hosengurt binden sieht. "Ach, Ruedi und ich, wir gehen heute in den Wald, da brauch ich eben das Messer zum Schnitzen", entgegnet Martin belanglos. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Martin und Ruedi gehen zwar wirklich in den Wald, aber nicht um Äste zu schnitzen, sondern um eine Höhle zu erforschen. Sie haben bei ihrem letzten Rundgang nämlich ein grosses Loch neben einem Wasserfall entdeckt. Dieses nun wollen sie sich heute einmal vornehmen. Doch Martin wollte das seiner Mutter nicht erzählen. Warum wohl nicht? Das Messer nahm er nur mit, weil er sich im Dunkeln immer etwas ängstlich fühlt.

Pünktlich um 9 Uhr morgens treffen sich Martin und Ruedi am Waldrand. "Hast Du sie dabei?", fragt Martin. "Natürlich!", entgegnet Ruedi und zeigt eine grosse Taschenlampe. "Also, dann kann's ja losgehen!"

Sie wählen einen kleinen Waldweg, der dem Bach entlang führt. Nach einer halben Stunde stehen sie vor ihrem Ziel. An einem steilen Abhang vor ihnen entdecken sie "ihre" Höhle. "Was meinst Du Martin, sollen wir's wirklich wagen?", fragt Ruedi. "Na klar, vorwärts!" Martin klettert als erster zur Höhle empor. Sie ist noch grösser, als es von unten den Anschein macht.


Später, es ist schon 2 Uhr nachmittags, läutet das Telefon bei der Mutter von Ruedi: "Hallo, spricht hier Ruedi's Mutter?" "Ja, wer ist am Apparart?" Wer wohl Ruedi's Mutter anruft? Es ist die besorgte Mutter von Martin. Inzwischen ist es nämlich schon 2 Uhr mittags geworden, und ihr Sohn Martin ist nicht zum Mittagessen erschienen. Da wollte sie nachfragen, ob dieser kleine Frechdachs wohl bei Ruedi zu Hause sei. "Nein", antwortet Ruedi's Mutter. Jetzt wird aber auch sie besorgt. Warum hat Ruedi sie gestern abend wohl gefragt, ob es hier in der Gegend Räuber und Räuberhöhlen gäbe? Sie hatte auf diese Frage nur lachend geantwortet: "Nein, Ruedi, Räuberhöhlen gibt's bei uns schon lange nicht mehr." Gibt es sie doch?

Ja, was ist mit unseren beiden Buben denn geschehen? Die sind beide schweissnass, müde und abgekämpft immer noch in der Höhle. "Warum haben wir das bloss gemacht?", fragt Ruedi sich und Martin vorwurfsvoll. Jetzt sitzen wir da mitten in der Höhle und wissen nicht mehr aus noch ein. "Ja, wir haben uns verirrt", stellt Martin trocken und besorgt fest, "aber jammern hilft jetzt auch nicht, wir müssen etwas unternehmen." Er schaut an die Uhr. 2 Uhr nachmittags! Seine Mutter hatte ihn zum Mittagessen erwartet. Sie wird sich Sorgen machen. "Etwas unternehmen ist gut, schau mal meine Taschenlampe. Die Batterien sind bald einmal fertig. Und dann sind wir verloren. Niemand weiss, wo wir sind", schluchzt Ruedi.

"Ich hab's!" Martin stand nachdenklich auf und sah Ruedi fest an. "Ich weiss, was wir tun müssen." Was wohl? "Beten!" Die Sonntagsschullehrerin hat mir einmal gesagt: "Martin, wenn Du nicht mehr weiter weisst, dann bete zu dem Herrn Jesus. Er ist der gute Hirte und wird Dir weiterhelfen." So falten beide, Martin und Ruedi, ihre Hände und beten. Sie sagen dem Herrn Jesus, dass sie selber Schuld an ihrer Situation sind. Sie waren es, die ihren Eltern nichts von der Höhle gesagt haben, und was sie vorhatten. Sie waren es, die in die Höhle gehen wollten. "Aber Herr Jesus, meine Sonntagsschullehrerin hat mir erzählt, dass Du uns Menschen gerne die Fehler vergibst, wenn wir es ernst meinen", betet Martin. Und jetzt bitten sie den Herrn Jesus, dass er sie doch wieder aus dieser Höhle herausführen möge.
Als sie zu Ende gebetet hatten, schauen sie sich an. Die Taschenlampe ist nicht heller geworden, und sie sind immer noch in der Höhle. Und doch, beide haben wieder Hoffnung.

"Weisst Du was, Ruedi, wir gehen jetzt einfach in die Richtung, die uns die richtige erscheint. Wäre es dann doch die falsche, so würden wir irgendwo einmal an ein Ende kommen. Ist es aber die richtige, dann wären wir gerettet." Das erscheint Ruedi auch logisch. So helfen sie sich gegenseitig hoch, und wählen die Richtung, die ihnen am ehesten Erfolg versprach. Sie können sich nur noch tastend vorwärtsbewegen, da Ruedis Taschenlampe nur noch ganz wenig Licht gibt.

"Martin, bin ich schon verrückt geworden, oder sehe ich dort vorne nicht einen kleinen Lichtstrahl?" "Doch Ruedi, du hast recht. Da vorne hat es Licht!" Beide werden aufgeregt und gehen etwas schneller, so gut es eben geht. Ist es nur ein Spalt oder ist es der Ausgang? - Es ist der Ausgang!

Sie haben es geschafft! Sie haben den Ausgang gefunden. "Juhui, danke Jesus!", ruft Ruedi begeistert. Sie laufen so schnell wie möglich nach Hause. Zu Hause haben sie nun natürlich einiges zu erklären, denn ihre Eltern waren so besorgt, dass sie schon bald die Polizei anrufen wollten. Aber natürlich sind sie jetzt vor allem froh, dass ihre Kinder wieder heil aufgetaucht sind.

In der nächsten Sonntagsschule erzählten Martin und Ruedi von ihrer Gebetserhörung.

Pforzheim (De), September 1992, Markus Brunner
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